Traditionelles Karate nach Sensei Hidetaka Nishiyama

1. Definition

„Der Sieg an sich ist nicht das absolute Ziel des Traditionellen Karate. Traditionelles Karate ist eine Kunst der Selbstverteidigung, welche sich nur den menschlichen Körper in der effektivsten Art und Weise zu Nutze macht. Man verwendet hauptsächlich Block-, harte/ schnelle Schlag- und Tritttechniken in Kombination mit verwandten Bewegungen“. Durch Traditionelles Karate hat der Mensch die Bedeutung, durch welche mentale und physische Fähigkeiten ausgeweitet und verbessert werden können, erkannt. Durch das unbegrenzte Bemühen um verbesserte Techniken nimmt die Gesamtpalette der menschlichen Fähigkeiten zu. Während Rangniveaus von festen Definitionen begrenzt werden, kennt das Bemühen nach Weiterentwicklung des Traditionellen Karate keine Grenzen. Das menschliche Fassungsvermögen und das maximal Mögliche zu erreichen sind Grenzen, die unserer Erforschung verlangen.

 

2. Geschichte des Traditionellen Karate

Die Entwicklung des Traditionellen Karate erreichte seine Vollendung um 1930 im Hauptland Japan. Seine technische Basis, To-de, eine waffenlose Kampf-kunst, entwickelte sich in Okinawa, Japan, als die Regierung von Okinawan den Besitz jeglicher Waffen verbot. To-de basierte seinerseits auf einer chinesischen Kampfkunst, die als Chuan-fa bekannt war. Die Ursprünge des Chuan-fa reichen mehrere tausend Jahre zurück. Es wird vermutet, dass die Chuan-fa Kampfkunst aus Nan-Pei-Chun hervorging, welche in der chinesischen Fukien-Provinz entwickelt wurde und den größten Einfluss auf das Entstehen des Okinawan To-de ausübte.

Als die technische Basis des To-de mit der Kriegskunstphilosophie zusammen gebracht wurde, war das Traditionelle Karate geboren. Dies geschah um 1600, als sich die verschiedenen japanische Kampfkünste technisch und philosophisch aufeinander abstimmten. Es war ein Zusammenfinden der Kampfkünste als kriegerische Künste, was den Beginn des Budo festlegt. Damit kam auch das Ziel des fortlaufenden Bemühens für die höchste menschliche Entwicklung. Es gibt viele sogenannte Stilrichtungen (Schulsysteme) im Rahmen des Traditionellen Karate. Wie auch immer, diese teilt man prinzipiell in zwei Linien: Shuri-te (beinhaltet Tomari-te) und Naha-te.

Shuri-te entwickelte sich in der Shuri-Gegend von Okinawa (heute Teil der Stadt Naha). Shuri-te basierte auf dem chinesischen Chuan-fa aus dem Zeitalter um 1400. Danach entwickelte es sich unter den geographischen und politischen Bedingungen von Okinawa autark weiter. Naha-te lässt sich zu den Ursprüngen des Nan-Pei-Chun des 19. Jh. zurück-verfolgen. Es wurde direkt von der Naha-Region von Fukien, China, eingeleitet.

3. Unterschiede zwischen Traditionellem Karate und neueren Formen
A. Traditionelles Karate

Traditionelles Karate als Originalkarate entwickelte sich als Kriegskunst von Japan aus. Technisch gesprochen: Traditionelles Karate basiert auf dem technischen Konzept des „vollendenden Schlages“. Der vollendende Schlag wird als eine Technik definiert, die einen angreifenden Gegner zu zerstören vermag. Im Zusammenspiel mit anderen verwandten Techniken schafft der vollenden-de Schlag eine vollkommene Körperkraft, die auf die Erschütterung des Ziels gerichtet ist.

Im Traditionellen Karate Wettkampf basiert alles auf der Kunst der Selbst-verteidigung. Zum Beispiel zählt nur die Technik des vollendenden Schlags als Punkt. Der vollendende Schlag verwehrt jedem eine zweite Chance. Deshalb sind Traditionelle Karate Wettkämpfe Einzelpunktkämpfe. Durch die kritische Einpunktbasis eines jeden Kampfes werden unsaubere Techniken und un-vorsichtige Aktionen minimiert. Als eine Kunst der Selbstverteidigung ist das Gewicht des Gegners nicht von Bedeutung. Die Prinzipien der Selbstverteidigung enthalten die Vorbereitung auf die Verteidigung gegen jeden Gegner, unabhängig von dessen Gewicht.

Ferner könnte das höhere Gewicht aus der Körpergröße resultieren, was ebenso keine Rolle spielt. Als eine Wettbewerbskunst macht sich das Traditionelle Karate den Wettbe-werb zu Nutze um das Training zu bereichern, aber auch um die emotionale Stabilität und die sich gehörenden Standesregeln zu erlernen. Alles in allem, diese Ziele formen die Grundsätze der Wettkampfregeln des Traditionellen Karate.

B. Andere Formen

Die anderen neueren Karate haben ihre Ursprünge im Traditionellen Karate aus Japan. Diese neueren Formen leiten ihre Techniken und Orientierungen aus den Schlag- und Tritttechnikgrundlagen des Traditionellen Karate ab. Sie scheinen ähnlich zu sein, es bestehen aber entscheidende Unterschiede.

Vielleicht ist der kritischste Punkt die Veränderung der Philosophie und des Nachdrucks der kriegerischen Selbstverteidigung hin zu einem mehrfachen Punktspiel, bei welchem geschlagen und getreten wird. Zum Beispiel ist allgemein bekannt, dass die neueren Karateformen Schlagen und Treten im weitläufigsten und allgemeinsten Sinn verbinden. Die Punkte werden im Wettkampf auf Grund von Schnelligkeit und der Entfernung der Hände und Füße zum Ziel vergeben. In solch einer Situation ist der „vollendende Schlag“ nicht erforderlich. Als ein Resultat ist die Anwendung der totalen Körperaktion mit dem Ziel des maximal möglichen Einflusses nicht mehr notwendig. Weiterhin wurde die Priorität auf die Wirtschaftlichkeit der Körperbewegungen gelegt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sind die Körperbewegungen im Traditionellen Karate genau entgegengesetzt zu denen bei neueren Karateformen.

Weil die neueren Formen keine Notwendigkeit mehr für den „vollendenden Schlag“ sehen, basieren ihre Wettkämpfe auf dem Mehrfachpunktesystem. Im Falle von Organisationen neuerer Karateformen existiert das 3-Punktesystem oder ein Mehrpunktsystem. Traditionelles Karate basiert auf einer Kunst der Selbstverteidigung.Weil das Gewicht das Gegenübers irrelevant ist, gibt es keine Gewichtsklassen. Auf der anderen Seite haben die neueren Karateformen das Konzept eines Spiels, nicht einer Kriegskunst. Eine der neueren Formen hat sieben verschiedene Gewichtsklassen.